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Lokalisierung mit KI: schneller, genauer, günstiger – doch ohne die richtige Technologie, das richtige Wissen und den passenden Kontext bleibt es ineffektiv

In der Welt der Softwarelokalisierung bedeutet der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), also generativer Übersetzungstechnologie, heute einen entscheidenden Vorsprung – denn sie macht Übersetzungen deutlich schneller, exakter und kosteneffizienter. Doch um diese Vorteile auszuschöpfen, braucht es mehr als nur Technologie. Es bedarf fundierter Erfahrung – etwa bei iLocIT – sowie einer sauberen Ausgangsbasis, passgenauer Tools und vor allem klarer Kontextinformationen.
Projekthintergrund
Ich habe kürzlich ein spannendes Projekt begleitet: die Lokalisierung einer React-Native-App entwickelt von meinem Freund und Geschäftspartner Hemant in New Delhi, Indien. Die App ist der iOS und Android Client für ein umfassendes Workforce-Management-Tool.
Die Herausforderung: 27.000 englische Quellwörter. Da die App in 33 Sprachen lokalisiert wurde, ergibt das am Ende rund 900.000 Wörter Output.
Zum Vergleich: In meiner Zeit bei Microsoft lag die Produktivität eines professionellen Softwarelokalisierers bei ca. 1.500 Wörtern pro Tag. Für eine Sprache hätte das also knapp 18 Arbeitstage bedeutet – multipliziert mit 33 Sprachen war ein Projekt wie dieses früher ein Mammutaufwand von mehr als 500 Tagen und Kosten im Bereich von 200.000 USD.
„Über Nacht“ statt 500 Tage
Das Projekt mit Hemant zeigt, wie radikal sich die Zeiten geändert haben.
- Abends: Wir haben das Projekt in GitHub aufgesetzt und die JSON-Dateien mit den Strings bereitgestellt.
- Unser iLP (iLocIT Localization Platform) mit dem Quell-Repository verbunden und das Lokalisierungsprojekt konfiguriert.
- In weniger als 30 Minuten war das Setup fertig: LLM angebunden, Prompt mit Persona, Stil und Kontext aus Produkt- und Projektbeschreibung erstellt, Zielsprachen definiert.
- Über unsere AI Foundry im Azure Tenant liefen dann ca. 9.000 API-Calls zwischen iLP und LLM – insgesamt knapp 50 MB Daten hin und her.
Morgens um 6 Uhr war das Ergebnis da: 33 Zielsprachen automatisch übersetzt, ins Repository zurückgeschrieben und damit sofort für Hemants Team verfügbar. Sie konnten die App direkt in 34 Sprachen (Englisch + 33 Übersetzungen) deployen und testen.
Das Ganze hat also nicht Monate gedauert – sondern buchstäblich über Nacht.
QA und kontinuierliche Verbesserung
Das Feedback von Hemants Team fließt direkt zurück ins iLP, wo es automatisch versioniert und für Folgeiterationen nutzbar ist. Parallel laufen QA-Prüfungen pro Sprache:
- WLU (Wrong Language Usage): Quellstrings, die nicht in Englisch vorlagen
- Längenprüfungen (z. B. längere deutsche Übersetzungen)
- Platzhalterchecks
- Strings ohne Änderungen
Durch diese Kombination aus Automatisierung und menschlichem Feedback wird nicht nur die Zielqualität gesichert – auch die Quellsprache selbst verbessert sich.
Nach weiteren 24 Stunden lag das Projekt bereits auf dem Qualitätsniveau „good enough“ – perfekt für ein MVP / MLP (Minimum Localized Product). Damit konnte das Release rechtzeitig zum Ende des Sprints erfolgen.
Kontext macht den Unterschied
Ein besonders eindrückliches Beispiel: der String „RC“. Ohne Kontext hätte ein LLM geraten – „Remote Control“, „Resume Code“, oder etwas anderes.
Weil wir aber im Prompt klarstellten, dass es um Fahrzeugkontexte geht, wurde „RC“ korrekt ins Deutsche als Fahrzeugschein (Registration Certificate) übersetzt.
Das zeigt: Kontext ist entscheidend – er trennt zufällige Treffer von konsequent hochwertigen Übersetzungen.
Microsoft, Locatech & iLocIT – mein Hintergrund
Ich bin Matthias Caesar, seit 1994 in der Lokalisierungsbranche aktiv – als Tools- und Prozess-Trainer, Projektleiter und seit 1999 als Geschäftsführer von Locatech GmbH. 1999 gründeten wir die LCJ EEIG, die eine der vier Premier Localization Vendors für Microsoft in den frühen 2000er-Jahren wurde.
Seit 2012 arbeite ich als Consultant und Partner bei iLocIT. Zudem lehre ich als Gastdozent im Masterstudiengang Softwarelokalisierung an der Hochschule Anhalt.
Diese Erfahrung hilft mir heute, KI, Automatisierung und klassische Lokalisierungsmethoden sinnvoll zu kombinieren – und so die Qualität, Geschwindigkeit und Effizienz moderner Projekte auf ein neues Niveau zu heben.
Fazit: KI ist mächtig – aber kein Selbstläufer
Vorteil | Voraussetzung |
Schneller, günstiger, skalierbar | Moderne KI-Modelle, Automation, Cloud-basierte Workflows |
Höhere Qualität | Automatisierte QA (Längen, Platzhalter, Sprache), Terminologie, Styleguide |
Treffsichere Übersetzungen | Klarer Kontext, Prompt Engineering, Entwickler-Input |
Strategische Integration | LangOps-Prozesse, DevOps-Anbindung, Terminologie-Injektion |
Für Hemants Projekt war die Lokalisierung der Software kein monatelanges Mammutprojekt mehr – sondern ein Overnight-Run, bei dem die Übersetzungen morgens im Repository lagen und innerhalb von weniger als 48 Stunden als MVP ausgeliefert werden konnten.
Fazit:
Mit der richtigen Technologie, fundiertem Wissen und sauberem Kontext wird KI-Lokalisierung nicht nur schneller, sondern strategisch wertvoller.